Wu-Wei – Das chinesische Prinzip des Nichthandelns

Im alten China war Nichtstun keinesfalls verpönt – Philosophen erhoben es vielmehr zum Lebensprinzip: Im Taoismus, einer uralten Denkschule, befindet sich der Mensch auf seinem Pfad, wenn er „Wu-Wei” lebt, ein Prinzip, das uns zu unserer ureigenen Natur führt …
„Tue nichts und alles ist getan”, sagte der Philosoph Laozi im 6. Jahrhundert vor Christus. Das mag sich nun erst einmal wie eine willkommene Ausrede fürs Faulenzen anhören – im alten China wurde dieses Nichtstun aber doch ein wenig anders verstanden: Im Taoismus befindet sich der Mensch auf seinem Weg, wenn er „Wu-Wei” lebt – ein Prinzip, das mit „Nichtwirken” oder auch „Nichthandeln” übersetzt wird. Wir erfüllen es, wenn wir im Einklang mit der Natur leben – der Natur, von der wir ja auch ein Teil sind.

Wu-Wei oder auch „Nichtstun” bedeutet also nicht, dass wir jeden Tag genauso gut im Bett liegen bleiben könnten und das Leben einfach geschehen lassen sollten. Es bedeutet vielmehr, dass wir un- sere Natur leben und uns so in Harmonie mit dem Großen und Ganzen bewegen. Gemeint ist „ein Tun, das sich ohne Anstrengung und Verkrampfung aus einem selbst wie eine Frucht löst. Es meint ein Tun, das zweckfrei ist, nicht gemacht, sondern reif geworden, ein herzgewirktes Tun, das sich seines Tuns gar nicht bewusst ist”, wie es der Daoismus-Experte Rudolf Backofen Wu-Wei beschreibt. Das klingt schön, nicht wahr? Und das Wundersame: Dafür müssen wir eigentlich gar nichts wirklich tun.


Wu-Wei: Nicht wirken und ganz Mensch sein


Denn diese Momente entstehen ganz von selbst, wenn wir uns auf das Hier und Jetzt einlassen: wenn wir aus unserem vollen Sein heraus leben und nicht nur körperlich anwesend sind – zum Beispiel weil unser Kopf mit der Zukunft beschäftigt ist oder unser Herz mit der Vergangenheit.
(Er-)Spüren wir uns und unseren Platz in der Natur: „Ein Baum ist nicht aus Holz gemacht, er ist Holz. Ein Berg ist nicht aus Fels gemacht; er ist Fels. Der Samen wächst zur Pflanze durch eine Erweiterung von innen her, und seine Teile oder unterschiedlichen Organe entfalten sich gleichzeitig damit”, findet der Religionsphilosoph Alan Watts Worte für das, was „natürliches Sein” bedeuten kann. Fragen wir uns doch mal: Wann sind wir auf diese Art und Weise ganz Mensch? Wann leben wir Wu-Wei?


Probieren wir’s doch mal: Schalten wir für einen Moment den Kopf aus; lassen wir los; und spüren wir unseren Platz im Universum – einem Universum, in dem das Leben fließt, ohne Absicht oder Zweck. Wenn wir so verharren, rücken sich mit der Zeit ganz viele Dinge von selbst in ein anderes Licht. Auf einmal wird unwichtig, worüber wir uns eben noch so fürchterlich aufgeregt haben. Und in uns reift ein Gefühl dafür heran, was wir wirklich wollen. Oder wir tun uns leichter, eine Situation einfach zu akzeptieren wie sie ist. Hören auf, starr an etwas festzuhalten – ganz gleich, ob es nun eine Ansicht oder ein Problem sein mag, ein Mensch oder ein Gegenstand. Und spüren, wieviel leichter das Leben wird, wenn wir loslassen und die Dinge geschehen lassen. Wu-Wei, das Nichthandeln, kann unserer Seele Erleichterung und Weitsicht verschaffen.

Quelle: https://www.herzstueck-mag.de/wu-wei



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert